Rechtsanwalt

Volker Stück

Liebigstr. 6

34125 Kassel

RA Volker Stück, Liebigstr. 6, 34125 Kassel                                                                     Tel. 0561 - 874268

 

 


Hessischer Verwaltungsgerichtshof

z.H. RiVGH Hessen Höllein

Brüder-Grimm-Platz 1

 

34117 KASSEL

11. November 2000

volker/chico/gericht/vgh08-doc.

Vorab per Fax: 0561 - 1007 264

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03.11.00                                 VGH 01/00                              05631 - 58 14 32

In dem

Normenkontrollverfahren gem. § 47 Abs. 1 Ziff. 2 VwGO

Günter Stück u.a. ./. Land Hessen

 

- 11 N 2497/00 - Hauptsache

 

Termin: n.n.

 

 

tritt dem Verfahren als Antragsteller zu

 

22. Bankkaufmann ************************************

 

bei. Die Vollmacht ist beigefügt.

 

Der Antragsteller zu 22. ist Eigentümer und Halter eines am 26.04.1989 geworfenen Staffordshire-Bullterrierrüden namens „Lemmy“. Der Hund, der aus dem Tierheim stammt und im Alter von 2 Jahren in Obhut genommen wurde, besitzt altersbedingt keine Schneide- und Fangzähne mehr, müßte aber nach der angegriffenen VO gleichwohl einen Maulkorb tragen, da die VO selbst in einem solchen Fall keine Ausnahme zuläßt.

 

Beweis:          1. Tierärztliches Attest des Dr. med. vet. **** vom 10.08.00 in Anlage 1.

                        2. Sachverständigengutachten Herrn Dr ********.

                        3. Augenschein.

 

Deutlicher kann die Unverhältnismäßigkeit und der Unsinn der VO des Antragsgegners kaum zu Tage treten. Erhebliche Bedenken diesbezüglich hatte bereits das VG Hamburg in seinem Beschluß vom 15.09.2000 - 19 VG 3376/2000 - geäußert (nachzulesen unter www.hamburg.de/StadtPol/Gerichte/VG/ae20000915.htm). Der Antragsgegner möge sich darüber erklären, welche Gefahr für die öffentliche Sicherheit von dem 11 jährigen und gesundheitlich beeinträchtigten „Lemmy“ noch auszugehen vermag.

 

Auch für den Antragsteller zu 22. gilt, was für die übrigen Antragsteller gilt. Er verfügt über einen tadellosen Leumund, hat einen festen Wohnsitz und übt einen ehrbaren Beruf in einer renommierten Frankfurter Großbank aus. Erkennendes Gericht und Antragsgegner können ohne jeden Zweifel davon ausgehen, daß er seinen Hund weder aus „Imponiergehabe, Aggressionslust, Kompensationsbedarf bei Ich-Schäche und Verantwortungslosigkeit“ (so Kollege RA Schily anläßlich der „Kampfhunddebatte“ im Bundestag am 30.06.00) oder aus „Persönlichkeitsproblemen“ (so Kollege RA Westerwelle anläßlich vorgenannter Debatte) erworben hat oder ihn aus diesen Gründen hält.

 

 

I.

 

Im Hinblick auf den Beschluß des HessVGH vom 16.10.2000 - 11 NG 2691/00 -, in dem festgestellt wurde, daß der Antragsgegner hinsichtlich der „ursprünglich angegriffenen Gefahrenabwehrverordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit (KampfhundeVO) vom 05.07.2000 (GVBl. I, S. 355) ...voraussichtlich unterlegen wäre“, wird um eine rasche Entscheidung über den Fortsetzungsfeststellungsantrag der zu Antragsteller zu 1. (*****), zu 8. (*****), zu 10. (*****), zu 12. (*****) und zu 17. (*****), gestellt mit Schriftsatz vom 27.08.00, gebeten, da der Antragsgegner offensichtlich nicht zur Besinnung kommen will und gegen jede Einsicht sein Treiben fortsetzt. Dem Antragsteller wurden deshalb die Verfahrenskosten in dem Verfahren 11 NG 2691/00 - in vollem Umfang auferlegt.

 

In gleicher Weise werden dem Antragsgegner die Verfahrenskosten für die übrigen Antragsteller aufzugeben sein, die ihre Anträge gegen die sog. KampfhundeVO vom 05.07.00 in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

 

Das erforderliche Feststellungsinteresse der Antragsteller, die im Wege des Fortsetzungsfeststellungsantrags die Feststellung begehren, daß die sog. KampfhundeVO vom 05.07.00 nichtig war, wurde ausführlich dargetan. Die sog. KampfhundeVO vom 05.07.00 war nichtig und die vorgenannten Antragsteller haben aus den umfassend dargestellten Gründen - trotz ihrer Ersetzung durch die GefahrenabwehrVO gefährliche Hunde vom 15.08.00 - ein Interesse an der baldigen rechtskräftigen Feststellung dieser Nichtigkeit.

 

 

II.

 

Der Schriftsatz des Antragsgegners vom 27.10.2000 zeichnet sich durch die gleiche juristische Qualität wie die angegriffenen Verordnungen selbst aus.

 

Der Antragsgegner hat am 07.09.00, 20.30 Uhr, in der HR 3 Sendung „Stadtgespräch“ zum Thema „Pitbull-Nein Danke ?“ öffentlich erklärt, worauf er sich bei Erlaß seiner VO gestützt hat. Er hat sich allein des „Sachverstandes“ seiner Polizeihundeführer bedient. Welche fundierten kynologischen, genetischen, ethologischen, zoologischen etc. Kenntnisse Polizeihundeführer mitbringen, möge der Antragsgegner erklären.

 

In Anbetracht dessen kann es nicht verwundern, von welch unzutreffenden und wissenschaftlich längst widerlegten Prämissen die VO ausgeht. Nach Ansicht der Antragsteller sind in diesem Zusammenhang anerkannte Tierärzte, Genetiker und Ethologen, die eine mehrjährige und fachspezifische wissenschaftliche Ausbildung absolviert haben, die einzigen Experten, die zu Rate zu ziehen waren und sind. Deren einhellige Meinung widerlegt die Auffassung des Antragsgegners ohne jeden Zweifel.

 

Als Anlage werden diesbezüglich beigefügt:

1.    Dr. Helga Eichelberg: Kamphunde-Gefährliche Hunde, aus: Deutsche Tierärztliche Wochenschrift 2000, Heft 9, S. 91 - 93.

2.    Entschließung der Hauptversammlung des 22. Deutschen Tierärztetages vom 24.03.2000, Arbeitskreis 3: Der „gefährliche Hund“

3.    Dr. Renate Jones-Baade: Aggressives Verhalten bei Hunden (vom 24.03.2000 anläßlich des 22. Deutschen Tierärztetages in Wiesbaden)

4.    Prof. Dr. Irene Stur: Zur Frage der besonderen Gefährlichkeit von Hunden aufgrund der Zugehörigkeit zu bestimmten Rassen

5.    Prof. Dr. Irene Stur: Stellungnahme zu Fragen zum Thema der besonderen Gefährlichkeit von Hunden aufgrund der Zugehörigkeit zu bestimmten Rassen.

6.    Stellungnahme der Landestierärztekammer Hessen zum Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Abwehr der von Gefährlichen Hunden ausgehenden Gefahren (Hundegesetz).

7.    Dr. Dorit Feddersen Petersen: Rasseneinteilung, Wesensprüfung und Heimtierzuchtgesetz

8.    Dr. Dorit Feddersen Petersen: in Focus 13/99

9.    Dr. Dorit Feddersen Petersen: Zur Biologie des Aggression des Hundes (vom 24.03.2000 anläßlich des 22. Deutschen Tierärztetages in Wiesbaden)

10.Tierärztekammer Hamburg: Offener Brief an Frau Senatorin Roth (HH)

11.Bundesverband Praktischer Tierärzte: Tierärzte fordern realistische Gefahrenprävention (vom 13.10.2000 anläßlich Jahreskongress in Leipzig)

12.Bundesverband Praktischer Tierärzte: Stellungnahme des Bundesverbandes Praktischer Tierärzte e.V. zu den in Vorbereitung befindlichen Kampfhunde-Eilverordnungen vom 04.07.00

 

Anlagen 2 - 13

 

Aus den beigefügten Stellungnahmen ergibt sich unisono, daß die Beurteilung der „Gefährlichkeit“ von Hunden von Rassen unabhängig ist und deshalb nach rasseneutralen Kriterien zu erfolgen hat. Entscheidend ist der Mensch und Halter. Wann nimmt der Antragsgegner diese inzwischen gesicherte Erkenntnis endlich zur Kenntnis und setzt sich über die laienhafte Auffassung seiner Polizeihundeführer hinweg ?

 

Zum Schriftsatz des Antragsgegners vom 27.10.2000 ist im einzelnen folgendes auszuführen:

 

1.

 

Wenn es auf S. 2 vorletzter Absatz, letzter Satz heißt „Vielmehr obliegt es jetzt dem Hundehalter nachzuweisen, dass sein Hund, der zu einer aufgezählten Rasse gehört, nicht gefährlich ist“ so bedeutet dies, daß der Antragsgegner offensichtlich seine eigene Verordnung nicht zu kennen scheint.

 

In § 2 Abs. 1, Satz 2, Ziff. 1 VO - echte Kampfhunde - wird gerade eine unwiderlegliche Vermutung der Gefährlichkeit aufgestellt und hieran weitreichende und ausnahmslose Rechtsfolgen geknüpft, die der HessVGH mit Beschluß vom 08.09.00 - 11 NG 2500/00 - in weiten Teilen vorläufig außer Vollzug gesetzt hat. Dem hat sich das OVG Bremen - in konsequenter Fortsetzung seiner bisherigen Rechtsprechung (OVG Bremen vom 06.10.1992 - 1 N 1/92 -in DÖV 1993, 576) - mit Beschluß vom 26.09.00 - 1 B 291/00 - angeschlossen. Beide Entscheidungen haben sowohl national als auch international, insbesondere in den Herkunftsländern der diskriminierten Rassen (USA, Großbritannien, Frankreich, Südamerika), wo diese Hunde als normale und weitverbreitete Familienhunde gelten, Anerkennung gefunden und nachhaltig dazu beigetragen, dem Ruf Deutschlands als Hort des Rassismus entgegenzutreten.

 

2.

 

Kennzeichnend ist auch der wiederholte Verweis des Antragsgegners auf politische Mehrheitsverhältnisse oder mehrheitlich gefaßte Beschlüsse, z.B. in Innenministerkonferenzen.

 

Der Beschluß der Innenministerkonferenz vom 05.06.2000 läßt unter Ziff. 1 a zunächst einen weiten Spielraum, eröffnet er doch die Möglichkeit, die Gefährlichkeit von Hunden individuell anhand bestimmter sozialinadäquater Eigenschaften und Verhaltensweisen oder an die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse zu knüpfen. Der Antragsgegner hat sich aus sachfremden Motiven für die zweite und wissenschaftlich unhaltbare Variante entschieden, wofür er die rechtlichen Konsequenzen wird tragen müssen.

 

Will man nicht unterstellen, der Antragsgegner wolle seine schwache Argumentation und Unfähigkeit bzw. Uneinsichtigkeit hinter diesem Gremium verstecken, so sei der Hinweis erlaubt, daß eine derartige Mehrheit nicht die naturwissenschaftliche Wahrheit oder juristisch richtige Bewertung indiziert oder für sich gepachtet hat. Es wird Aufgabe der benannten Sachverständigen und des angerufenen Gerichts sein, diese Aufgabe zu übernehmen und dem Antragsgegner als auch seinen eifernden Kollegen den rechten Weg zu weisen.

 

Gerade das Gegenteil ist der Fall - die Willkürlichkeit wird hier offenbar. Sowohl die objektive Gefährdungsbeurteilung und Einstufung bestimmter Hunderassen als auch die daran anknüpfenden Rechtsfolgen können nicht von Land zu Land unterschiedlich sein, wobei hier sowohl Nationalstaaten als auch Bundesländer gemeint sind. Die vom Antragsgegner herangezogene Mehrheit - wofür im einzelnen eigentlich ? - gibt es nicht, sieht man einmal von der Selbstverständlichkeit ab, Leben und Gesundheit von Menschen wirksam zu schützen, für die auch die Antragsteller eintreten.

 

Dies sei exemplarisch an der Bordeaux Dogge gezeigt: In Frankreich - ihrem Herkunftsland - gilt sie nicht als „Kampfhund“, wohl aber dort der deutsche Rottweiler. In Deutschland gilt die Bordeaux Dogge - derzeit - nur in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg Vorpommern und Nordrhein Westfalen als gefährlich, nicht aber in den übrigen Bundesländern. Es sind keinerlei objektive Kriterien erkennbar, die eine derartige Einstufung oder Ungleichbehandlung rechtfertigen und der Antragsgegner ist auch diesbezüglich nicht in der Lage, etwas Rechtfertigendes vorzutragen, es sei denn, die Gefährlichkeit gründet sich aus der Luft des Landes, die ein Hund durch seinen Maulkorb atmet, oder dem Standort des Baumes, an dem er sein Bein hebt.

 

Daß der Antragsgegner selbst in seiner eigenen Gefährdungsbeurteilung, die auf einer reinen Putativgefahr basiert, keine Stringenz aufweist, sondern diese innerhalb kürzester Zeit willkürlich änderte, wurde bereits eindrucksvoll anhand der wechselhaften Entstehungsgeschichte der diversen VOen nachgewiesen. Sachliche Gründe sind nicht ansatzweise erkennbar oder dargelegt.

 

3.

 

Auf S. 3, 2. Absatz führt der Antragsgegner das sog. Qualzuchtgutachten zu § 11 b Tier-SchG an und zitiert daraus (S. 31. unter 2.1.2.6.): „Kann grundsätzlich in vielen Rassen oder Zuchtlinien auftreten, zeigt sich jedoch besonders ausgeprägt in bestimmten Zuchtlinien der Bullterrier, American Staffordshire Terrier und Pit Bull Terrier.“

 

a) Wenn dem wirklich so wäre, so muß sich der Antragsteller selbst fragen lassen, warum die Rasse Bullterrier, die in § 1 Ziff. 7 der KampfhundeVO vom 05.07.00 noch als unwiderlegbar gefährlich galt, in der neuen VO vom 15.08.00 nur noch als widerlegbar gefährlich eingestuft wurde (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2 c). Ebenso fragt sich, warum der - nicht im Qualzuchtgutachten genannte, aber damals existente und bekannte - Staffordshire Bullterrier der Kategorie § 2 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1 (echte Kampfhunde) und nicht Ziff. 2 (unechte Kampfhunde) oder § 2 Abs. 2 (individuell gefährliche Hunde) zugeordnet wurde. Hier geht es keinesfalls darum, eine bestimmte Rasse ungerechtfertigt zu inkriminieren, sondern die dilettantische und von Widersprüchlichkeiten und Unsinn beherrschte Vorgehensweise des Antragsgegners zu offenbaren.

 

b) Das Qualzuchtgutachten ist wissenschaftlich nicht haltbar. Zur Begründung sei auf die ausführliche Stellungnahme Frau Prof. Dr. Irene Sturs vom 19.10.2000 verwiesen, die zum Gegenstand des Vorbringens gemacht wird.

 

Anlage 14

 

Beweis:          Sachverständiges Zeugnis Prof. Dr. Irene Stur, Institut für Tierzucht und

                        Genetik, Veterinärmedizinische Universität, Veterinärplatz 1, A 1210 Wien.

 

Wenn es in dem Qualzuchtgutachten unter Genetik (S. 32) heißt „Erbgang ist nicht geklärt, jedoch sind Art und Ausmaß aggressiven Verhaltens zu einem erheblichen Teil auch genetisch determiniert, eine Tatsache, die im Rahmen der Selektion auf oder gegen Aggressionsverhalten immer schon mehr oder weniger konkret berücksichtigt wurde“, so ist der Aussagewert gleich null und kann nicht zur richterlichen Überzeugungsbildung i.S.d. § 108 Abs. 1 VwGO genügen. Im einzelnen:

·       Wie kann etwas genetisch determiniert sein, wenn die Grundlage, d.h. der Erbgang ungeklärt ist ?

·       Was versteht man angesichts solch ungeklärter Vorgänge unter einem „erheblichen Teil“ oder „mehr oder weniger“ ?

Offensichtlich stand hier das gewünschte Ergebnis mehr im Vordergrund als eine wissenschaftlichen Kriterien entsprechende Aussage.

 

Es entspricht vielmehr neuesten molekular-genetischen Erkenntnissen, daß man Hunderassen genetisch nicht differenzieren kann. Ebenso läßt sich nicht wissenschaftlich belegen, daß übersteigerte Aggression die Folge langdauernder Selektion auf dieses Verhaltensmerkmal sei.

 

Beweis:          1. Sachverständigengutachten Prof. Dr. Irene Stur, bereits benannt.

                        2. Sachverständigengutachten Prof. Dr. Otmar Distl, Institut für Tierzucht und                   Vererbungsforschung der Tierärztlichen Hochschule Hannover, Bünteweg 2,                  30559 Hannover.

 

c) Der Antragsgegner verkennt den Unterschied zwischen den Begriffen „Rasse“ und „Zuchtlinie“. Zur Begründung der abstrakten und generellen Gefährlichkeit der in § 2 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2 VO genannten Rassen stützt er sich auf das sog. Qualzuchtgutachten zu § 11 b Tier-SchG. Dieses Gutachten wurde erstellt, um einzelne Zuchtlinien innerhalb von Rassen zu verbieten. Der Begriff „Rasse“ ist jedoch viel weiter zu definieren als der Begriff „Zuchtlinie“.

 

Unter einer Rasse versteht man: „...Untereinheiten der Haustiere einer Art, welche sich in mehreren erblichen Merkmalen voneinander stärker unterscheiden. Sie werden nach subjektivem Ermessen (Unterstreichung des Unterzeichners) abgegrenzt. Es sind Kollektiveinheiten, deren Besonderheiten oft durch statistische Methoden erfaßt werden können; ihre Heraushebung im zoologischen Nomenklatursystem ist nicht gerechtfertigt, eine Bezeichnung durch Vulgär-Namen genügt“ (Quelle: Herre/Röhrs, 1990: Haustiere - zoologisch gesehen; Gustav Fischer Verlag).

 

Der Begriff Zuchtlinie bedeutet hingegen: „...das Ergebnis konsequenter Verpaarung verwandter Tiere der gleichen Rasse mit dem Ziel, Geno- oder Phänotyp für bestimmte Bereiche des Exterieurs und / oder der Leistung zu konsolidieren und somit Nachkommen zu erzeugen, von denen zu erwarten ist, daß sie die Zuchtziele stärker ausgeprägt ausweisen als dies im Durchschnitt innerhalb der Rasse der Fall ist. Der Verwandschaftsgrad (Inzuchtkoeffizient/Ahnenverlustkoeffizient) innerhalb einer Zuchtlinie ist im Regelfall höher als der der Gesamtpopulation der Rasse“ (Quelle: Dettmar/Eichelberg, 2000)

 

Beweis:          Sachverständigengutachten Frau Dr. Helga Eichelberg, bereits benannt.

 

Es können also allenfalls, wenn überhaupt, Hunde bestimmter Zuchtlinien innerhalb einer Rasse eine abstrakte und generelle Gefahr darstellen, jedoch niemals eine ganze Rasse !

 

Beweis:          1. Sachverständigengutachten Frau Dr. Helga Eichelberg, bereits benannt.

                        2. Sachverständigengutachten Frau Prof. Dr. Irene Stur, bereits benannt.

                        3. Sachverständigengutachten Herrn Prof. Dr. Otmar Distl, bereits benannt.

 

Es darf prognostiziert werden, daß die schwache, unschlüssige und widersprüchliche Argumentation des Antragsgegners wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen wird.

 

4.

 

Auf S. 3, 3. Absatz führt der Antragsgegner aus, daß die 3 Rassen (Pit Bull Terrier, American Staffordshire Terrier und Staffordshire Bullterrier) überdurchschnittlich häufig die Wesensprüfung nicht bestanden haben. Diese Angabe ist völlig unsubstantiiert und wird bestritten.

 

Hier fehlt es zunächst schon an einem Vergleichsmaßstab. Solange nicht auch Schäferhunde, Rottweiler, Doggen, Boxer, Cocker Spaniel, Dackel etc. sich genau dem gleichen Test unterwerfen müssen, sind derartige Behauptungen wertlos.

 

Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß die „Fachleute“, die den Wesenstest durchführen, überwiegend Polizeihundeführer sind, die über keine wissenschaftlich anerkannte Ausbildung in Kynologie und Ethologie verfügen. Mit anderen Worten: Hier prüfen allenfalls geringfügig qualifizierte Laien, die noch dazu überwiegend in den Diensten des Antragsgegners stehen.

 

Da eine Minimierung des Bestandes der Hunde der Kategorie § 2 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1 VO sozial erwünscht ist, was der Antragsgegner und seine Kollegen mehrfach öffentlich erklärt haben und sich wie ein roter Faden durch die VO zieht, steht zu befürchten, daß die Tester, größtenteils im Dienste des Antragstellers, entsprechende Vorgaben haben, was von offizieller Seite selbstverständlich geleugnet wird. Exemplarisch sei hier nur die Prüfung des Pitbulls Baxter am 04.08.00 in Wiesbaden genannt, beigefügt als

 

Anlage 14.

 

 

Bei konsequenter und gleichmäßiger Anwendung der Maßstäbe hätte man auch die drei Polizeihunde, mit denen Baxter konfrontiert wurde, einer sofortigen Euthanasie zuführen müssen. Der Antragsgegner wird aufgefordert, sich zu erklären, was mit diesen 3 Diensthunden, die dem vermeintlich aggressiven Baxter in nichts nachstanden, geschehen ist.

 

Diesbezüglich wird voraussichtlich am 05.12.2000 gegen 22.15 Uhr im ZDF eine Sendung der Reihe 37 Grad mit dem Titel „Kamerad Kampfhund“ ausgestrahlt, in der unter anderem auch der Fall Baxter Gegenstand ist. Darüber hinaus werden weitere Exzesse dokumentiert, für der Antragsgegner bzw. seine Kollegen verantwortlich sind.

 

5.

 

Soweit auf S. 3, letzter Absatz, auf das Gutachten Frau Dr. Dorit Feddersen-Petersen zum Entwurf der Polizeiverordnung des Ministeriums Ländlicher Raum über das Halten gefährlicher Hunde in Baden Württemberg vom 04.04.1991 abgestellt wird, geht dies völlig fehl.

 

Wenn es dort heißt „Deshalb eignen sich Schutzhunderassen oder Rassen mit Kampfhundevergangenheit (Bullterrier) besonders für den Mißbrauch“, so sei zunächst darauf hingewiesen, daß zu den Schutzhunderassen - die als Diensthunde Verwendung finden - auch die Deutschen Schäferhunde, Boxer, Rottweiler, Dobermänner, Riesenschnauzer oder Airedale Terrier gehören, die jedoch nach den VOen des Antragsgegners keinesfalls den selben Restriktionen unterworfen sind. Der zitierte Bullterrier gilt nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2 c nur als widerleglich gefährlich, die 3 Rassen des § 2 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1 - in dem o.g. Zitat nicht erwähnt - hingegen als unwiderleglich gefährlich. Erneut liefert der Antragsgegner ein eindrucksvolles Beispiel von Unkenntnis und Dilettantismus.

 

Es zeugt im übrigen auch von unzureichender Arbeitsweise und schlechtem Stil, aus einem Gutachten nur einen Satz herauszureißen. Zur Vermeidung von derartigen Entstellungen und Sinnwidrigkeiten als auch aus Respekt vor den hohen fachlichen Fähigkeiten und der international anerkannten Reputation der von den Antragsstellern benannten Sachverständigen wird hiermit bereits an dieser Stelle nach §§ 98 VwGO i.V.m. 411 Abs. 2 ZPO höflich darum ersucht

 

das Erscheinen der Sachverständigen zur

Erläuterung ihres schriftlichen Gutachtens anzuordnen.

 

Dies gilt nicht nur im Hinblick auf sämtliche von den Antragstellern benannten Sachverständigen, sondern auch für diejenigen, die der Antragsgegner zu benennen gedenkt.

 

6.

 

Der Vortrag auf S. 3, 1 Absatz ist ebenfalls völlig unsubstantiiert. Was ist unter Beißkraft zu verstehen ? Welcher Hund hat welche Beißkraft ? Wie, wann und von wem wurde die Beißkraft konkret ermittelt ? Läßt sich Beißkraft rassebezogen und nicht nur individuell feststellen ?

 

Körpergröße, Gewicht und Beißkraft können keine tauglichen Unterscheidungskriterien für die in der VO genommenen Differenzierungen sein. So hat ein Staffordshire Bullterrier, ein Hunde der Kategorie § 2 Abs. 1 Satz 2 Ziff 1, eine Größe von 36 - 41 cm bei einem Gewicht von 11 - 17 kg. Ein American Staffordshire Terrier bringt es auf eine Größe von 43 - 48 cm bei einem Gewicht von 18 - 23 kg; der Pit-Bullterrier auf eine Größe von 46 - 56 cm bei einem Gewicht von 23 - 36 kg.

Zum Vergleich einige Hunde, die nicht kraft verordnungsrechtlicher Willkürlich abstrakt und generell zu den gefährlichen Hunden erklärt wurden:

·       Boxer: Größe 53 - 63 cm bei 25 - 32 kg; Funktion: Schutz-/Wachhund. Diese Rasse wurde übrigens 1896 aus Bullenbeißern und Bulldoggen gezüchtet, hat also genau die gleichen Vorfahren wie die meisten der sog. Kampfhunde. Nimmt man die Mischlings- und Kreuzungsvermutung der VO, ausgehend von der unseligen Blut-Ideologie, und die vom Antragsgegner herangezogene „genetische Determinierung“ ernst, so müßten auch Boxer allein aufgrund ihrer Rasse den Bestimmungen über gefährliche Hunde unterliegen, haben sie doch „Kampfhundblut“ und „Kampfhundgene“ unstreitig in sich und gibt es keine Begrenzung der Generationen zurück !

·       Leonberger: Größe 65 - 80 cm bei 60 - 80 kg; Funktion: Wach-/Schutzhund.

·       Rottweiler: Größe 55 - 68 cm bei 40 - 50 kg; Funktion: Wach-/Teibhund

·       Deutscher Schäferhund: Größe 55 - 65 cm bei 34 - 43 kg; Funktion: Schutz-/Schäferhund

 

Warum nur die in den VOen genannten - allesamt ausländischen - Hunderassen abstrakt und generell gefährlich sein sollen, bei den anderen - deutschen - die Gefährlichkeit nur im Einzelfall vorliegen soll, läßt sich nicht begründen. Bisse deutscher Hunde, auch wenn die Bevölkerung an sie gewöhnt ist, sind nicht seltener und nicht ungefährlicher oder folgenschwerer als Verletzungen durch die in § 2 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1 und Ziff. 2 genannten Hunde.

 

Unhaltbarer Unsinn ist schließlich die nebulöse Behauptung „Zudem sind Hunde dieser Rassen auf Grund ihrer körperlichen Merkmale, ihres Verhaltens oder sonstigen Eigenschaften grundsätzlich in besonderem Maße geeignet, durch Züchtung, Haltung oder Ausbildung kurzfristig die Eigenschaft als Kampfhund zu erwerben“. Der Antragsgegner möge erkennendem Gericht und Antragstellern diesbezüglich endlich konkret folgende Fragen beantworten:

1.    Was ist ein „Kampfhund“ bzw. welche Eigenschaften machen einen solchen aus ?

2.    Welche wissenschaftlichen Beweise liegen für diese bloße Behauptung vor ?

3.    Warum soll sich nicht jeder andere Hund auch durch entsprechende Verhaltenskonditionierung zu einem „Kampfhund“ machen lassen ?

 

7.

 

Die Antragsteller sind selbstbewußte Verfechter dieses Rechtsstaates. Sie verlangen nicht mehr und nicht weniger als eine Behandlung bzw. Differenzierung nach sachlichen und objektivierbaren Kriterien, wie dies Art. 3 Abs. 1 GG fordert.

 

Die Ausführung auf S. 4, letzter Absatz „Ein Großteil der Bevölkerung wünscht einen besseren Schutz vor gefährlichen Hunden und hat dabei bestimmte Hunderassen im Blick“ zeigt in überdeutlicher Weise, nach welchen Kriterien hier allein vorgegangen wurde und wird: Blanker Populismus um jeden Preis statt Anwendung rechtsstaatlicher Prinzipen. Für diese klaren Ausführungen zu den authentischen Motiven sind die Antragsteller dem Antragsgegner mehr als dankbar und das Gericht wird die offenbarten Differenzierungskriterien angemessen zu würdigen wissen. Der Erlaß der VO ist demnach gekennzeichnet durch zwei grundlegende Prinzipen:

·       Heranziehung von Laiensachverstand (Polizeihundeführer) statt der fachlich fundierten Experten (Tierärzte, Kynologen, Ethologen, Genetiker).

·       Verwendung rechtspopulistischer (vermeintliche Bevölkerungswünsche) statt rechtswissenschaftlicher und rechtsstaatlicher Grundsätze.

 

Derartig absurden Ansichten und sachfremden Motiven ist entschieden entgegenzutreten. Es wäre unerträglich, wenn vermeintliche Volksmeinungen zur Maxime rechtsstaatlichen und staatlichen Handelns erhoben würden, wie dies hier geschehen ist. Wozu dies führen kann, vermag ein Blick in die Geschichte zu zeigen. Muß man derart erschreckende und besorgniserregende Aussagen von politischen Spitzenvertretern und Spitzenorganen der Exekutive zur Kenntnis nehmen, so fühlt man sich an ein Zitat des französischen Dichters Alphonse de Lamertine (1790 - 1869) erinnert: „Je mehr ich von den Vertretern des Volkes sehe, desto mehr bewundere ich meine Hunde“.

 

8.

 

Zu den Unterschieden zwischen kommunalen Hundesteuersatzungen, mit denen ein Lenkungszweck in bestimmten Grenzen verfolgt werden darf, und Gefahrenabwehrverordnungen nach dem HSOG wurde bereits ausführlich Stellung genommen. Der vom Antragsteller im Hinblick auf die Entscheidung des BVerwG vom 19.01.2000 - 11 C 8.99 - in Betracht gezogene Erst-recht-Schluß ist zum Scheitern verurteilt und untauglich.

 

Als Anlage füge ich ein Schreiben Frau Dr. Helga Eichelbergs vom 08.11.2000 an den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts bei, in dem sie sich über die völlig entstellende Zitierung ihres Gutachtens in der Entscheidung des BVerwG vom 19.01.2000 beschwert. Wörtlich heißt es in dem Schreiben Frau. Dr. Eichelbergs:

 

„Das aus dem Zusammenhang genommene Zitat erweckt den Anschein, als befürworte ich die Auflistung von Rassen, die insgesamt und a priori ein Gefahrenpotential darstellen. Genau das Gegenteil ist der Fall: Aus zoologischer Sicht weise ich noch einmal darauf hin, daß allein die Rassezugehörigkeit eines Hundes keinerlei Aussagen über seine individuelle Gefährlichkeit zuläßt. Dieser Standpunkt ist meinem Gutachten (Anmerkung des Unterzeichners: Hierbei handelt es sich um die Broschüre des VDH „Kampfhunde-Gefährliche Hunde“ Auflage 1999) unschwer zu entnehmen und ich verwahre mich ausdrücklich gegen die Art und Weise, wie hier mit Zitaten umgegangen wird.“

 

Beweis:           1. Schreiben Frau Dr. Eichelbergs vom 08.11.00 in Anlage 15.

                        2. Sachverständiges Zeugnis der Frau Dr. Helga Eichelberg, Mozartstr. 13,

                        53919 Weilerswist.

 

Damit derartige sinnentstellende Zitate nicht Grundlage einer weitreichenden gerichtlichen Entscheidung werden können, ist es in jedem Falle geboten, das Erscheinen der Sachverständigen anzuordnen, damit sie ihre Gutachten authentisch erläutern und präsentieren können.

 

Ein weiterer Punkt sei angeführt. Das BVerwG führt in seiner Entscheidung vom 19.01.2000 aus:

„Jedenfalls aus der zeitlichen Sicht des Satzungserlasses der Beklagten von November 1994 (Unterstreichung durch Unterzeichner) handelt es sich um einen komplexen und noch in mancher Hinsicht nicht endgültig geklärten Sachverhalt. In einer solchen Situation ist es vertretbar, dem Satzungsgeber angemessene Zeit zur Sammlung von Erfahrungen einzuräumen. Die mit einer gröberen Typisierung und Generalisierung verbundenen Unzuträglichkeiten geben erst dann Anlass zur verfassungsrechtlichen Beanstandung, wenn der Normgeber eine spätere Überprüfung und fortschreitende Differenzierung trotz ausreichenden Erfahrungsmaterials für eine sachgerechtere Lösung unterläßt (vgl. BVerfGE 33, 189 f....). Die Beklagte war folglich befugt, eine in gewisser Weise experimentelle Regelung zu treffen.“

 

Nach der umfassenden Beschäftigung von anerkannten und fachkundigen Tierärzten, Kynologen, Ethologen und Genetikern in der letzten Zeit mit dem Thema „gefährliche Hunde“, die übereinstimmend zu der Auffassung kommen, daß es keine gefährlichen Rassen, sondern nur gefährliche Hundeindividuen gibt, ist kein anerkennenswerter Raum mehr für „experimentelle Regelungen“.

 

Nicht unbedenklich erscheint der Ansatz des BVerwG, den (Hunde-)Steuerzahler zum Versuchskaninchen von kommunalen Steuerexperimenten zu machen. Sollte man nicht der hier vertretenen Auffassung folgen, daß bereits jetzt angesichts umfassender wissenschaftlicher Studien kein Raum mehr für (Steuer-)Experimente ist, sondern vielleicht erst in 10 Jahren und sich dann herausstellen sollte, die Rassezugehörigkeit sei kein taugliches Differenzierungskriterium für die Gefährlichkeit, so müßte man konsequenterweise allen Steuerzahlern anraten, den Steuerbescheid nicht bestandskräftig werden zu lassen, Zahlungen nur unter Vorbehalt vorzunehmen, um sodann ihren berechtigten - weil das kommunale Experiment scheiterte - Rückzahlungsanspruch geltend zu machen.

 

 

III.

 

Ergänzend wird zur Rechtswidrigkeit der angegriffenen VO noch folgendes ausgeführt:

 

1.

 

Die Unfruchtbarmachung (§ 10 VO zum 15.08.00) ist rechtswidrig. Sie dient nicht der Beseitigung oder Abwehr einer Gefahr und ist deshalb ein untaugliches Mittel. Zumindest bei positiv bestandenem Wesenstest ist sie unverhältnismäßig und übermäßig. Sie stellt einen rechtswidrigen und entschädigungslosen Eingriff ins Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG dar.

 

2.

 

Die Kennzeichnungspflicht (§ 9 VO vom 15.08.00) ist von vornherein als präventives Mittel der Gefahrenabwehr untauglich. Zumindest bei positiv bestandenem Wesenstest ist die Kennzeichnung unverhältnismäßig.

 

3.

 

Die Versicherungspflicht (§ 14 Abs. 1 Ziff. 5 VO vom 15.08.00) stellt ebenfalls von vornherein kein taugliches Mittel zur Gefahrenabwehr dar, sondern kann allenfalls bereits eingetretene Schäden wiedergutmachen. Eine Versicherung kann einen Schaden nicht verhindern und auch versicherte Hunde können beißen. Folglich ist diese Bestimmung nicht mit dem HSOG zu vereinbaren.

 

Eine derartige Pflichtversicherung reklamiert ihre Berechtigung schließlich nicht nur für sog. Kampfhunde, weshalb ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt. Der sich losreißende Pudel oder Dackel, der einen Verkehrsunfall verursacht, schafft ebenso viel Leid wie der beißende Kampfhund, wenngleich Bisse von Kampfhunden nach den sämtlichen bekannten Statistiken seltener sind als die von anderen Hunden. Er ist für Medien, rechtspopulistisch veranlagte Innenminister und öffentliche Meinung nur ungleich weniger interessant, weil das Schadensbild sozialadäquat ist und eben eher mit einem Achselzucken hingenommen wird.

 

An dieser Stelle noch ein wenig Statistik: Pro Jahr werden bundesweit leider ca. 3-4 Menschen durch Hunde getötet, überwiegend jedoch nicht durch sog. Kampfhunde. Dagegen kommen noch bedauerlicherweise ca. 8.000 Menschen im Straßenverkehr - also „sozialadäquat“ und ohne großes öffentliches Aufsehen - zu Tode. Vergleicht man das Risiko einerseits und die politischen und behördlichen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr andererseits, so wird ein krasses Mißverhältnis deutlich.

 

4.

 

Die Anordnung des ausnahmslosen Maulkorbzwangs (§ 6 Abs. 3 Satz 1 VO vom 15.08.00) für Hunde der Kategorie § 2 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1 ist unverhältnismäßig. Ein Privileg gibt es nicht einmal für alte, kranke und sogar zahnlose Hunde wie den Staffordshire Bullterrier „Lemmy“ des Antragstellers zu 22.

 

Nach einem bestandenen Wesenstest besteht kein rechtlich billigenswertes Interesse mehr am Maulkorbzwang. Maulkorb- und Leinenzwang sind aus tiermedizinischer bzw. ethologischer Hinsicht überdies kontraproduktiv, stören das Wohlbefinden des Tieres und verhindern soziale Kontakte.

 

Beweis:          1. Stellungnahme zum Maulkorb- und Leinenzwang nach Nds.GefTVO in               Anlage 16.

                        2. Sachverständiges Zeugnis des Herrn Dr. ******, Tierärztliche Hoch                     schule Hannover, Bünteweg 2, 30559 Hannover.

 

So führte auch Frau Dr. Dorit Feddersen Petersen am 21.08.00 anläßlich einer Anhörung der Bundestagsfraktion der Grünen/Bündnis 90 aus:

„Der Leinen- oder sogar Maulkorbzwang bewirkt das genaue Gegenteil des Gewollten. Die Reizschwelle sinkt, wenn der Hund zu wenig Gelegenheit hat, sich artgerecht zu verhalten.“

 

Beweis:          Sachverständigengutachten Fr. Dr. Feddersen Petersen, bereits benannt.

 

Eine generelle und ausnahmslose Verpflichtung kann also keinen rechtlichen Bestand haben.

 

5.

 

Das Erfordernis des besonderen berechtigten Interesses zur Haltung (§ 14 Abs. 1 Ziff. VO vom 15.08.00) verstößt gegen Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG jedenfalls in den Fällen, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis vorliegen, also insbesondere der Halter zuverlässig und der Hund ungefährlich ist. Es ist nicht ersichtlich, wieso zur Erteilung der Erlaubnis trotz des Nachweises der Ungefährlichkeit des Hundes im Einzelfall noch ein berechtigtes Interesse an seiner Haltung erforderlich sein soll.

 

6.

 

Das Unfruchtbarmachen (§ 10) als auch das Abgabeverbot (§ 12 der VO vom 15.08.00) sind - neben Verstößen gegen Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG - europarechtswidrig und deshalb zu verwerfen.

 

a) Die Unfruchtbarmachung kommt einer Ausrottungsanordnung - in der euphemistischen Sprache des sich verbal schöngeistig gerierenden Antragsgegners „sozial erwünschte Bestandsminimierung“ - der in § 2 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1 genannten Rassen gleich.

 

Dadurch verletzt die VO das Verbot der mengenmäßigen Ausführbeschränkungen des Art. 28 EGV. Danach sind mengenmäßige Ausführbestimmungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedsstaaten verboten. Als Maßnahmen kontingentgleicher Wirkungen ist jede Handelsregelung eines Mitgliedsstaates anzusehen, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar tatsächlich oder potentiell zu behindern (EuGH vom 11.06.1974 - RS 8/74 - Dassonville -; EuGH vom 13.01.2000 - RS 254/98 - TK Heimdienst Sass GmbH-), wobei Hemmnisse für den Binnenhandel, die sich aus den Unterschieden der nationalen Regelungen über die Vermarktung von Erzeugnissen ergeben (EuGH vom 20.02.1979 - RS 120/78 - Cassis de Dijon-), also Beschränkungen aufgrund nationaler Bestimmungen über Verkaufsmodalitäten (EuGH vom 24.11.1993 - RS CC 267/91 und 268/91 - Keck-), hingenommen werden müssen. Um solche handelt es sich vorliegend jedoch gerade nicht, da hier keine bestimmte Art des Verkaufs geregelt wird, sondern Zucht und Handel der unter § 2 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1 VO fallenden Hunde generell untersagt und über § 10 VO auch verhindert wird. Vorliegend handelt es sich um ein Verbot, welches von einem Mitgliedsstaat ausgeht und nicht nur Leistungsempfänger dieses Mitgliedsstaates betrifft, sondern auch Leistungsempfänger anderer Mitgliedsstaaten. Aus diesem Grund beeinflußt die Unfruchtbarmachung und das Abgabeverbot der Hunde den Zugang zum Markt in einem anderen Mitgliedsstaat, so daß das Verbot der VO geeignet ist, den innerstaatlichen Handel tatsächlich und potentiell zu beeinträchtigten bzw. auszuschließen (EuGH vom 10.05.1995 - RS 384/93 - Alpine Investments).

 

Rechtfertigungsgründe nach Art. 30 EGV liegen für die Maßnahmen nicht vor. Art. 30 EGV bestimmt zwar, daß Maßnahmen, insbesondere auch Ausfuhr- und Einfuhrverbote und Beschränkungen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt sein können, Diese Verbote und Beschränkungen dürfen jedoch kein Mittel zu einer willkürlichen Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung darstellen. Eine solche liegt vor, wenn ein Mitgliedsstaat sich mißbräuchlich auf die in Art. 30 Satz 1 EGV geschützten Rechtsgüter beruft, in Wirklichkeit aber ganz andere Ziele mit der Maßnahme verfolgt.

 

Die vorliegenden Bestimmungen sind willkürlich und diskriminierend, was bereits ausführlich erläutert wurde. Sie verfolgen in ihrer Allgemeinheit, Abstraktheit und Ausnahmslosigkeit nicht den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder den Schutz des Lebens von Menschen, sondern dienen der Ausrottung und Unterbindung bestimmter Hunderassen, so daß ein grenzüberschreitender Handel mit diesen Hunden nicht mehr möglich ist. Überdies ist schon die Eignung zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes abzusprechen, da auf die betroffenen Hunde nur ein sehr geringer Teil aller Verletzungen durch Hunde insgesamt zurückgeht. Schließlich gäbe es auch mildere Mittel wie Leinen- und Maulkorbpflicht für tatsächlich gefährliche Hunde. Uneinsichtig ist auch, warum zu Zwecken der Gefahrenabwehr in Hessen es verboten sein soll, wenn z.B. ein Staffordshire Bullterrier Züchter einen Zuchthund in das Heimatland der Rasse, d.h. nach Großbritannien, verkaufen und ausführen will.

 

Mithin ist die VO auch nicht europarechtskonform. Die Bundesregierung ist nicht zuletzt aus diesem Grund mit ihrer Initiative, eine europaweite Regelung über sog. Kampfhunde herbeizuführen, abgeblitzt. Gegebenenfalls wird diese Frage letztinstanzlich vom EuGH entschieden werden müssen, dessen Anrufung - sollte es denn nötig werden - der Unterzeichner nicht scheuen wird.

 

b) Zugleich setzt sich das gewerbliche Handels-, Erwerbs- und Abgabeverbot nach § 12 VO über eine höherrangige Rechtsquelle hinweg, nämlich § 35 GewO. Auch dies begründet die Nichtigkeit der Bestimmung.

 

7.

 

Die Fragen zur persönlichen Zuverlässigkeit (§ 4 VO vom 15.08.00) sind in der derartigen Form unzulässig. Beigefügt ist die nunmehr dritte Fassung des Fragebogens (1. Fassung zur KampfhundeVO vom 05.07.00; 2. Fassung zur VO vom 15.08.00 bis zur Entscheidung des HessVGH vom 08.09.00 - 11 NG 2500/00; dritte Fassung in Anpassung an die Entscheidung).

 

Anlage 17

 

Nicht nur daß hier durch Druck, behördliche Bearbeitung und Versendung Steuergelder in erheblichem Ausmaß verschwendet werden, was der Landesrechnungshof, der von den Antragstellern fortlaufend unterrichtet wird, in seinem nächsten Bericht sicher gebührend zu würdigen versteht, werden hier rechtsstaatliche Grundsätze mit Füßen getreten.

 

Zum einen wird einem Hundehalter hier etwas Unmögliches abverlangt. Welcher medizinische und psychiatrische Laie kann versichern, daß er „weder alkoholkrank, rauschmittelsüchtig, geisteskrank oder geistesschwach“ ist. Zum anderen verstoßen die abverlangten Versicherungen gegen die unantastbare Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG), das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 6 Abs. 2 MRK sowie den allgemein anerkannten Grundsatz, daß niemand verpflichtet ist, sich selbst zu belasten.

 

Einer gewissen Pikanterie entbehrt es nicht, daß diese Fragen auch vom Antragsteller zu 1. (63), seit rund 33 Jahren Richter des Landes Hessen und seit 28 Jahren ehrenamtlich im Gemeindeparlament Wehretal, abverlangt werden. Die Mitglieder des erkennenden Senates dürfen sich glücklich schätzen, nicht zufällig einen Hund der genannten Rassen zu halten, würden sie sonst selber von derartigen Versicherungen überzogen werden.

 

Abschließend das gewohnte Zitat, diesmal von Lord Byron (engl. Dichter, 1788 - 1824):

Der Hund hat alle Tugenden des Menschen, aber nicht ein einziges seiner Laster.“

 

Sollte das erkennende Gericht weitere Angaben zur Sach- oder Rechtslage oder die Bezeichnung oder Beibringung weiterer Beweismittel für erforderlich erachten, so wird um einen entsprechenden richterlichen Hinweis gebeten.

 

Weiterer Vortrag zur Sach- und Rechtslage sowie die Bezeichnung ergänzender Beweismittel bleibt vorbehalten.

 

 

Volker Stück

[Rechtsanwalt]

Kopie an: Antragsteller

Anlage(n)